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Das wohl bestimmende kollektive

发布时间:2017-04-08
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1. Einführende Worte - Begründung der Themenwahl

Der Holocaust ist das wohl bestimmende kollektive Trauma des 20. Jahrhunderts in Europa, somit geht es als zu verarbeitende Thema auch in die Weltliteratur des 20. und 21. Jahrhunderts ein. Heute wird die Verarbeitungsarbeit hauptsächlich von drei Generationen geleistet. Bewusst wird hier der Begriff Bewältigung vermieden. Wenn an dieser Stelle Verarbeitung steht, dann wird die Arbeit der überlebenden gemeint, die durch Erzählungen gegen die Chance der Wiederholbarkeit des Holocausts kämpfen. Die tatsächliche überlebenden des Holocausts, die zweite und dritte Generation. Zwei wesentliche Gesichtspunkte müssen herausgehoben werden, wenn man über den Anlass dieser Arbeit spricht:

Einerseits muss man zur Kenntnis nehmen, dass die Heute noch lebende wenige überlebenden des Holocausts mehr als sechzig Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs nicht mehr viel Zeit und Kraft haben ihre Geschichten zu erzählen und tatsächlich die geschehene Gräueltaten zu bezeugen.

Andererseits wurde weder in Frankreich, in Deutschland, in österreich, in der Schweiz noch in Ungarn das Thema des Holocausts in der breiten öffentlichkeit ausführlich ausdiskutiert.

Ungarn spielt eine spezielle Rolle für mich in dieser Hinsicht, da ich hier lebe, studiere und weiß wie wenig dieses Thema in den Bildungsstätten behandelt wird. Ungarn wurde auch schon als „Land des Holocausts" bezeichnet, das Land war einer der Hauptorte der Tragödie, die die Menschheit im 20. Jahrhundert erlitt. 500.000 Juden aus Ungarn wurden mit Hilfe des ungarischen Staates in Auschwitz ermordet. Seit einigen Jahren ist in Ungarn das Thema des Holocausts nicht mehr unsichtbar: 2001 wurde von der Regierung der Holocaust-Gedenktag am 16. April eingeführt, da 1944 an diesem Tag mit der Ghettoisierung der ungarischen Juden im Oblast-Transkarpatien begonnen wurde.

Ein Jahr später erhielt Imre Kertész als erster ungarischer Schriftsteller den Nobelpreis für Literatur für sein Werk „Geschichte eines Schicksalslosen". 2004 wurde das Holocaustmuseum und Erinnerungsstätte in Budapest eröffnet. Leider wird es immer noch viel zu wenig darüber gelehrt, gesprochen und geschrieben.

Meine Wahl fiel auf dieses Werk, weil es auf einer außergewöhnlichen Art an das Leben, das Gefühl, das verhängnisvolle Schicksal der Menschen während des Holocausts im Konzentrationslager reflektiert.

In dieser Arbeit wird in die Analyse einer Erzählung näher eingegangen, die in dem deutschsprachigen Raum wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde und in Ungarn - obwohl es schon 1981 ins Ungarische von Mária Ember übersetzt und beim Europa Verlag erschienen worden ist - eigentlich unbekannt ist. Sowohl der Schriftsteller Fred Wander als auch sein Buch „Der siebente Brunnen" wurden nicht in der öffentlichkeit verbreitet und sind fast in das Vergessen geraten.

2. Literatur über dem Holocaust. Brot des Lebens: das erzählende Erinnern

Die Literaturwissenschaft ist eine Gedächtniswissenschaft. Die Mechanismen und die vielfältigen gesellschaftlichen Funktionen des literaturwissenschaftlichen Bezugs auf Vergangenheit sind erst in den letzten Jahrzehnten deutlich ins Bewusstsein ihrer Vertreter gerückt.

(S. 71)

Literarische Werke weisen symbolsystem-spezifische, distinktive Merkmale bei der Vermittlung von Inhalten des kollektiven Gedächtnisses auf. S. 147

Wieso es wichtig ist das Werk zu untersuchen?

Interdiskursivität: Literarische Werke sind vielstimmige Medien, wie bereits Michail M. Bachtin (1979) gezeigt hat. Sie repräsentieren verschiedene Redeweisen und Diskurse und führen sie modellhaft zusammen. Gerade im Gegensatz zu Medien wissenschaftlicher Spezialdiskurse (Geschichtswissenschaft, Theologie, Recht, usw.) können literarische Werke die Diskursvielfalt einer Erinnerungskultur anklingen lassen. Daher ist Literatur als „reintegrierender Interdiskurs" (Link 1988; Zapf 2002) bezeichnet worden.

Literatur ist eine „Weise der Gedächtniserzeugung" unter anderen. Sie teilt viele Verfahren mit der Alltagserzählung, der Geschichtsschreibung oder dem Denkmal. Doch zugleich erzeugt sie aufgrund ihrer symbolsystem-spezifischen Merkmale Sinnangebote, die sich von denen anderer Gedächtnismedien deutlich unterscheiden. Literatur kann so Neues und Anderes in die Erinnerungskultur einspeisen. S. 148

Literatur wirkt in der Erinnerungskultur, wenn sie in breiten gesellschaftlichen Kreisen als ein Medium des kollektiven Gedächtnisses rezipiert wird. Als aus der Lektüre resultierende „Handlung" ist zunächst die durch den literarischen Text beeinflusste „Sinnbildung über Zeiterfahrung" zu nennen: Literatur prägt Kollektivvorstellungen vom Ablauf und vom Sinn vergangener Ereignisse, deutet die Gegenwart und weckt Erwartungen für die Zukunft.

S. 153

Ansatz zur Begründung warum Fred Wander und sein Werk bis Heute wenig Aufmerksamkeit bekamen:

Hinweise auf die Rezeption von literarischen Texten als Medien des kollektiven Gedächtnisses in weiten Teilen der Gesellschaft, auf den Eingang ihrer Gedächtnisnarrative in die Erinnerungskultur und auf ihre das Kollektivgedächtnis refigurierende Wirkung bieten Auseinandersetzungen im Feuilleton ebenso wie Bestsellerlisten, Formen der Institutionalisierung, etwa die Aufnahme der Werke in Lehrpläne, ihre Kanonisierung oder der Eingang von literarischen Zitaten in die alltägliche Redeweise. Die kollektive Rezeption kann dabei stark von gesellschaftlichen Institutionen gelenkt werden. Spezifika des Literatursystems, wie Veröffentlichungs- und Marketingstrategien, spielen dabei eine wichtige Rolle. Zu beachten sind zudem politische Eingriffe wie Zensur oder staatlich gelenkte Vielfachauflagen. Was die Aneignung und Deutung literarischer Werke angeht, ist von der Existenz erinnerungskultureller „Interpretationsgemeinschaften" auszugehen (vgl. Fisch 1980): Unterschiedliche soziale Gruppen einigen sich auf Möglichkeiten der Aktualisierung. Bei all diesen gesellschaftlichen Prozessen ist Macht ein nicht zu unterschätzender Faktor: Literarische Texte bieten Deutungsmöglichkeiten kollektiver Vergangenheit und entfalten eine Reihe von - teils affirmativen, teils subversiven - Wirkungspotetialen. Es ist aber Sache der Leserschaft und damit auch leitender gesellschaftlicher Institutionen, diese zu forcieren und einzudämmen. S. 153 f.

Bei der Untersuchung von Literatur unter der Leitfrage, welche Funktionen sie als Medium in der Erinnerungskultur erfüllt, muss daher zunächst von der Aneignung literarischer Texte durch die Leserschaft - ihrer Refiguration - ausgegangen werden.

Auf kollektiver Ebene (collective memory) weisen literarische Werke alle drei Funktionsaspekte von Medien des kollektiven Gedächtnisses auf: Literatur ist ein Speichermedium (im Folgenden: „kollektive Texte") und sie dient in der Erinnerungskultur als medialer cue, als Abrufhinweis (...). S. 156

Literatur trägt als medialer Rahmen des autobiographischen Erinnerns (collected memory) bei ihrer Leserschaft maßgeblich zur individuellen „Sinnbildung über Zeiterfahrung", zur Kodierung und Deutung von Lebenserfahrung bei. S. 156

Literatur als medialer Rahmen des Erinnerns

Literatur als Medium des collected memory ist nichts anderes als die Kehrseite von Literatur als Speicher- und Zirkulationsmedium: Denn um kollektiv wirksam zu werden, müssen literarische Vergangenheitsdarstellungen auch in organischen Gedächtnissen aktualisiert werden. Solche individuellen Aktualisierungen stimmen allerding nicht notwendigerweise immer mit den sozialdominanten Lesarten überein.

Literatur als Gedächtnismedium übt aber auch noch in anderer Hinsicht Wirkung auf das individuelle Gedächtnis aus: Literarischen Werken entstammen Modelle und Schemata, die unsere Begegnung mit der Wirklichkeit präformieren und unsere persönlichsten Erinnerungen mitprägen. Insbesondere bei der Wahrnehmung und Erinnerung von individueller Lebenserfahrung spielt Literatur eine zentrale Rolle. (...) Wie der Architekt oder der Maler scheint auch also der Autor eines Romans als ein Kommunikationspartner bei der sozialen Gedächtnisbildung fungieren zu können. S. 161

Holocaust als kulturelles Paradigma:

Kulturelle Paradigmen haben eine prospektive und eine retrospektive Dimension, denn sie präformieren bereits die Erfahrung und sie leiten den erinnernden Abruf in bestimmte Bahnen. (...) Kulturelle Paradigmen erlauben, spezifische Lebenserfahrung, für die (noch) keine etablierten kulturellen Codes existieren - neuartige, oft traumatische Kriegserfahrung etwa - mit Hilfe der Semantik des kulturellen Gedächtnisses sinnhaft zu gestalten. S. 162

Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses weist zwei grundlegende Funktionspotentiale in der Erinnerungskultur auf: das der Gedächtnisbildung und das der Gedächtnisreflexion. Zum einen prägen literarische Darstellungen unsere persönlichen Erinnerungen (collected memory) und unsere Vorstellungen von historischer Vergangenheit (collective memory), d.h. sie sind beteiligt an der Herausbildung von verschiedenen Formen des kollektiven Gedächtnisses. Zum anderen macht Literatur Erinnerungsprozesse - individuelle wie kollektive - auch beobachtbar. Literarische Texte stellen die Prozesse und Probleme des Gedächtnisses so dar, dass sie Gesellschaften eine Beobachtung und Kritik der Erinnerungskultur ermöglichen. (...)

Im Bereich der literarischen Gedächtnisbildung lassen sich weiterhin zwei Funktionspotentiale unterscheiden: zum einen das der Konstruktion und Affirmation der in einer gegebenen Erinnerungskultur vorhandenen Vorstellungsstrukturen, zum anderen deren Dekonstruktion und Revision. (S. 165)

In der Literatur über den Holocaust wird die Biographie, oder ein wesentlicher Teil, der am meisten wohl die Lebensgeschichte des Erzählers beeinflusste in einer unzertrennlichen Verbindung verknüpft. Man kann es eigentlich bei keinem literarischen Werk, das die Erinnerungen über dem Holocaust verarbeitet, es von der Biographie des Autors unabhängig zu analysieren.

Fred Wander hat zweifache Legitimation über das Schrecken zu schreiben: als überlebender verschiedener Konzentrationslagern und als gelernter, erprobter Schriftsteller.

3. Der Schriftsteller Fred Wander und seine Erzählung „Der siebente Brunnen"

Fred Wander

3.1 Intentionen des Romans

Im Werk „Der siebente Brunnen" werden die Geschichten der Opfer erzählt, dabei werden Gesichter, Name, Herkunft und Schicksal der Opfer wiedergegeben. Die „Gestiefelten" - die SS-Aufseher werden im Werk so genannt - werden beschrieben.

Konzentrationslager und Prosa, Barbarei und Lyrik - könnte man noch weiter auseinandergehende Begriffe finden? In der Erzählung „Der siebente Brunnen" von Fred Wander wird das Inferno der Konzentrationslager prosaisch dargestellt. Dieser lose Novellenkranz - oder vielmehr eine Serie von atemraubenden Momentaufnahmen - lässt Gesichter und Schicksalswege aufblitzen: unwiederholbare Schicksäle von Juden und Partisanen, Greisen und Jungen, Reichen und Armen, Professoren und Arbeitern. Ihre letzte Tragödie spielt vor den Augen des Lesers ab. Durch die Erinnerungen, Träume und Erzählungen wird das Bild des verlassenen Heims wieder wach: die polnische Kleinstadt oder das jüdische Viertel in Paris, Amsterdam oder ein ukrainisches Dorf. Diese erschütternde zur Lyrik erhitzte Prosa wirkt aber nie als überschwänglich, sondern deklariert den Kampf gegen das Vergessen und das menschliche Lebenswille über die Barbarei.

2.2 Strukturen des Romans

Die Narrative des Romans zeigt zwei Ebenen auf:

Die erste Ebene beschreibt die Erinnerungen der Opfer an ihrem früheren Leben auf verschiedener Weise, abhängig davon, in welchem Teil Europas ihr Heimat früher war. Diese Ebene stellt ein Denkmal gegen das Vergessen einer fast ganz vernichteten Welt.

Die zweite Ebene beschreibt die Erinnerungen des auktorialen Erzählers an seine Kameraden, die in Konzentrationslagern oder während der Todesmärsche Opfer des Zweiten Weltkriegs wurden.

Diese Ebene stellt ein Mahnmal gegen das Vergessen der erlittenen Gräueltaten auf.

a tizenkét fejezetet be kell mutatni, szereplok elofordulása

Symbole der Erzählung

Die Titelmetapher

Der Titel der Erzählung „Das siebente Brunnen" steht programmatisch für die erzählte Geschichte.

Die Zusammensetzung von Symbol (die Zahl Sieben) und Metapher (Brunnen) gibt einen Hinweis auf tiefere Schichten, die zum Verständnis der Erzählung als wichtig erscheinen.

Die Zahl Sieben

Die Zahl Sieben steht in den Religionen Christentum, Judentum und auch Islam für die Vollkommenheit. So ist der siebte Tag zu weihen (2. Mos. 20,10). Die sieben Augen Jahwes deuten auf seine Allwissenheit (Sach. 4,10). Im Judentum findet man den siebenarmigen Leuchter. Siebenfach ist der Glanz der Sonne im messianischen Zeitalter (Jes. 30,26). Das Vaterunser enthält sieben Bitten, der Heilige Geist besitzt sieben Gaben, und man kennt sieben christliche Tugenden.

Im Islam muss der Gläubige siebenmal die Kaaba umgehen, und der siebte Himmel ist der Ort der letzten Verklärung. Die Zahl Sieben beinhaltet aber auch eine Ambivalenz. In der Apokalypse weist sie sowohl auf das Göttliche als auch auf das Infernalische. Augustinus spricht von den sieben Todsünden und den sieben Sakramenten.

Der Hinduismus kennt sieben Weltgegenden und sieben Jahreszeiten. Buddhas wichtigste Lebensstufen sind mit der sieben verbunden: Sieben Schritte gleich nach der Geburt, siebenmal umwandelt er den Bodhibaum.

Im alten Babylonien war die Sieben das Zeichen für die Ganzheit, für die Fülle.

In Griechenland war die Zahl dem Apollon heilig, darüber hinaus bildet sie eine Art Superlativ: sieben Weltwunder, die sieben Tore Thebens. Nach Hesiod ist der siebte Tag für Aussaat und Schifffahrt glückverheißend. In der Gnosis repräsentiert diese Zahl das Schicksal, im Märchen ist sie Ausdruck der Totalität: sieben Geißlein[1], sieben Zwerge, Siebenmeilenstiefel.

Das Kreisen der sieben Planeten ist Ausdruck kosmischer Ordnung, die sich auch in den sieben Tönen, den sieben Farben und in den mit Planetennamen versehenen Wochentagen wiederspiegelt.

Die kulturelle überlegungen lassen darauf schließen, dass der Autor die Zahl Sieben in der etymologischen Tradition der Rundzahl verwendet, wie vollkommen, total, allmächtig.

Der Brunnen

Der Brunnen ist ein vielfach verwendetes Motiv sowohl in der Literatur als auch in der Kunst. Er kann für die Brautwerbung und die Liebe, die Meditation und Besinnung, die Gefangenschaft und Demütigung oder auch das Leben, das Schicksal im Allgemeinen stehen.

Im Alten Testament ist der Brunnen den am Rande der Wüste umherziehenden Nomaden zunächst einmal ein Ort, an dem lebenswichtiges und kostbares Wasser zu finden ist.

In den Erzählungen des 1. Buches Mose findet sich der Brunnen auch als Ort der Liebe und als Symbol der Weiblichkeit. Umgekehrt ist das Zuschütten von Brunnen, wie es die Philister (Gen. 26,15) tun, ein ernster Grund für Streitigkeiten. Im Alten Testament gehört zu einem Brunnen ein gewisses Umfeld an Land zu, das dem Besitzer des Brunnens mit zufällt. Auch die Gefangennahme des Joseph (Gen 37,18-30) in einer Zisterne legt dem Brunnen jene Bedeutung der Erfüllung bei, die hier jedoch erst im Verlaufe der Joseph-Novelle zum Ziel kommt.

Die keltische Mythologie kennt den reinigenden Brunnen in einer noch übersteigerten Form als Jungbrunnen.

Im Märchen „Der Froschkönig" oder „Der eiserne Heinrich" überschneidet sich zudem das Brunnenmotiv als Begegnungsort der weiblichen und männlichen Protagonisten mit dem Motiv vom Jungbrunnen. In der jetzigen bei Grimm vorliegenden Fassung verdunkelt, macht dies jedoch ein Blick auf die Märchenparallele Der Froschprinz (KHM Anh. 21) sowie auf das Märchen Der Brunnen am Ende der Welt (bei Joseph Jacobs) deutlich. Das verunreinigte lebensrettende Brunnenwasser kann der Frosch reinigen, sofern der Wasserholer auf dessen Bedingungen eingeht, worauf sich die jüngste der drei Schwestern einlässt und letztlich neben dem Lebenswasser für den kranken Vater auch den Prinzen gewinnt.

Im Iwein von Hartmann von Aue Iwein erschlägt den Brunnenwächter Askalon und gewinnt dessen Frau Laudine zur Gattin.

Während das Motiv des »Brunnensù sich in der Tradition seine Weite erhalten zu haben scheint, verengt sich der Ausdruck »Brunnenvergifterù jedoch im Mittelalter. In all den Beschreibungen des Brunnens, die diesen als Ort des Lebens, sei es für die Kleinvieh-Nomaden des Alten Testamentes oder die späteren dörflichen und städtischen Kulturen, sehen, ist der »Brunnenvergifterù der Verbrecher. Die mittelalterliche Bezeichnung des Brunnenvergifters findet sich nun aber im Zusammenhang mit den großen europäischen Pest-Pandemien ab dem 14. Jahrhundert in antisemitischer Färbung. Mit »Brunnenvergifterù ist der Mensch jüdischen Glaubens gemeint, sodass sich dieses Stereotyp, das dann auch Hitler in Mein Kampf verwendete, zunehmend in der Propaganda vor Pogromen findet.

Das Motiv des Brunnens taucht auch in Goethes Drama Faust I von 1808 als Schauplatz von Gretchens und Lieschens Tratschereien über eine gemeinsame Bekannte auf.

Zu nennen ist Wilhelm Müllers Gedicht „Der Lindenbaum" von 1822, wo der Brunnen gemeinsam mit dem Lindenbaum zum Symbol wehmütiger Sehnsucht nach der heilen Vergangenheit wird. In seiner Vertonung durch Franz Schubert in der Winterreise, aber auch später als Volkslied hat es Weltruhm erlangt.

Eine der eindrucksvollsten Verwendungen einer zum poetologischen Symbol verdichteten Brunnen-Motivik bietet Thomas Mann in seinem Roman Joseph und seine Brüder.

3.1 Wie man eine Geschichte erzählt - Erzähltechniken in der Erzählung

In seiner Rede als er den Nobel Preis überreicht bekam, fasste Imre Kertész seine Erfahrungen über das Schreiben über Auschwitz zusammen: „Wenn jemand über Auschwitz schreibt, muss ihm klar sein, dass Auschwitz die Literatur - wenigstens in einem bestimmten Sinn - aufhebt. [...] Womit ich sagen will, dass seit Auschwitz nichts geschehen ist, was Auschwitz aufgehoben, was Auschwitz widerlegt hätte. Der Holocaust konnte in meinem Werk niemals in der Vergangenheitsform erscheinen."[2]

Durch den Holocaust wurden die bisherigen Definitionen, Begriffe und Erklärungen der Geschichte, der Erzählung in Frage gestellt. Die Opferrolle war nicht einzelnen Individuen zugeteilt, so hatten die Täter auch keine Persönlichkeit. Auf der Opferseite befand sich ein ganzes Volk, es ist eine schwierige Aufgabe den Einzelnen ein Gesicht zu zuordnen. Die Täter waren aus verschiedenen Völkern Europas, auch die die im 2. Weltkrieg nicht kriegführend waren trotzdem auf der „anderen" Front gegen die Juden - auch wenn sie nur mit ihrer Nicht-Beteiligung - teilnahmen. Es gibt kein Dokument, das die endgültige Vernichtung der Juden befohlen hätte. Dennoch wurde diese Tat bis zu den kleinsten Einzelheiten geplant ausgeführt. Die logistischen, finanziellen, organisatorischen, verkehrstechnischen Fragen wurden eigentlich alle gelöst um das fürchterliche Ziel fast vollständig zu erreichen. In dieser Geschichte gibt es keine Große Opfer, wie König Lear oder Antigone weder Große Bösen, wie Herodes, Nero oder Richard III. Der Hauptdarsteller in dieser Großen Erzählung ist die Menschliche Zivilisation, die in eine Sackgasse läuft. Die Narrative zeigt, wie das grenzenlose Vertrauen an einer positiven Entwicklung, das Glauben an einer geistig guten Welt zerstört wurde.

Imre Kertész erzählt eine Geschichte in seinem Roman „Geschichte eines Schicksalslosen", die auch seine sein könnte:

„Ich dagegen kam an einem schönen Frühlingstag 1955 unvorhergesehen auf den Gedanken, dass nur eine einzige Realität existiert, diese Realität aber bin ich selbst, mein Leben, dieses zerbrechliche und mir für unbestimmte Zeit zugesprochene Geschenk, das unbekannte, fremde Mächte beschlagnahmt, verstaatlicht, determiniert und besiegelt hatten und das ich aus der sogenannten Geschichte, diesem fürchterlichen Moloch, zurückholen musste, weil es allein mir gehört und ich entsprechend mit ihm umzugehen hatte."[3]

Wie die Geschichten der Toten oder die Geschichte einer heilen Welt anhand von Erinnerungen erzählt wird, wird von Fred Wander in seinem Buch „Der siebente Brunnen" gezeigt:

„Ich kenne die Geschichten der Toten, die dort auf der vorderen Plattform des Wagens liegen."[4]

„Auf vorderer Plattform des Wagens lagen die Toten aufgehäuft, wie auf einem heidnischen Altar, einer über den andern, obenauf Meir Bernstein."[5]

Die Betroffenheit der Opfer selbst stellt die größte Sprachbarriere dar. Auch wenn sie viele Jahre verstreichen ließen, bis sie über ihre Erlebnisse berichteten, kann die Distanz zu ihnen immer nur begrenzt sein. Die Schwierigkeit, sich nachträglich mit der Lagerrealität auseinanderzusetzen, reflektieren die ehemaligen Häftlinge insbesondere dann, wenn es darum geht, unangenehme Erfahrungen zu beschreiben. Wie kaum ein anderer Eindruck im Lager erschütterte die Folter gleichermaßen Psyche und Körperlichkeit der Häftlinge. Die Erinnerung an den psychischen Schmerz und an das damit verbundene Gefühl der Erniedrigung macht es den Betroffenen schwer, sich darüber zu äußern. [6]

Das Erzählen weckt erlebte und auch traumhafte Erlebnisse auf. Geschichten möchten die Juden im KZ hören, die die Erinnerung an das Zuhause vor dem Krieg, an „eine verlorene Welt" (S. 7) wach halten und das Begehren des friedlichen Alltages aufrecht erhalten. Die Erzählungen lassen die Zuhörer in sich kehren. Gleichzeitig lässt das Geschichtenerzählen Mendel Teichmann, den Meister des Erzählens, aufblühen.

„Wie das Gedächtnis viele Möglichkeiten hat (auch die des Vergessens), gibt es viele Stufen und Schichten der Erinnerung. Es gelingt dem Autor, sie alle durchschimmern zu lassen (S. 17).

Wie Christa Wolf in ihrem Essay schreibt, dass Prosa die authentische Sprache der Erinnerung ist, eines der wichtigsten Medien, deren sich die Menschheit zur Erhaltung und Auffrischung ihres lebenswichtigen Langzeitgedächtnisses bedient (S. 17).

Durch die Erzählungen stelle der Schriftsteller ein Denkmal für die Opfer behauptet Christa Wolf in ihrem Essay[7], das Gegenteil wird aber vom Walter Grünzweig geschrieben[8]. Nach seiner Auffassung dienen die einzelne Charaktere, die Typen von Menschen.

„Aber er lauscht nach innen, staunt über dem erhabenen Gesicht eines Toten, über einem Eiskristall, atmet eine Nase voll Duft aus den reinen Wäldern und sucht, sucht die verschollenen Spuren von Schönheit in seinem Leben, sucht plötzlich einen Kumpel, der zuhören kann, und wenn er ihn gefunden hat, berauscht er sich an Vergangenem, breitet vor dem andern ein Gemälde aus." (S. 16)

„Erst fängt er stockend zu erzählen an, vorsichtig den andern taxierend, de Groot zum Beispiel: (...)" (S. 17)

„Alle Ostjuden erzählten gerne von den Festen. Jetzt reden sie nicht. Sie phantasieren. Nichts mehr von den erregenden Geschichten aus dem Leben, das nie mehr sein wird, chassidische Spitzfindigkeiten, Bonkes und Memoiren: ein Zug, in dem nur geträumt wird, fieberhaft, im Wahnsinn, mit dem letzten Hauch. Ein Traumzug, der durch finstere deutsche Wälder fährt." (S. 41)

„Ich kenne die Geschichten von Meir Bernstein, oft hat er sie erzählt. Seine Lippen bewegen sich, was flüstert er. Vielleicht ein Dankgebet? Ich danke dir, Ewiger, wispert er in die kalte Luft, ich danke dir, dass du mich noch einmal meine Chanah und die Kinder hast sehen lassen, ich danke dir, ribojne-schel-olejm." (S. 42)

„Und dann Lubitsch. Hier in Buchenwald auf Block sechzehn zitierte er nicht mehr Baudelaire." (S. 71)

Die Diskussion wird in der Baracke auf einer intellektuellen Höhe in der Baracke der KZ über folgende Werke geführt:

  • Schwarz und Rot - Stendhal
  • Madame Bovary - Gustav Flaubert
  • Le père Goriot (Rastignac) - Honoré de Balzac
  • Krieg und Frieden; Anna Karenina - Leo Tolstoi
  • Hamlet, König Lear - Shakespeare

„Was waren diese Beschwörungen, noch immer Verse? Mathematische Formeln oder Musik: Letzte Ordnung in dem Chaos, das uns umgab!" (S. 73)

Der Erzähler erinnert sich nicht nur an seinen engsten Opferkameraden, sondern versucht die Geschichte eines Mannes zu verewigen, den er nicht gesehen hat: „Ein Mann, den ich nie zu Gesicht bekommen hatte, der aber einen bestimmten Teil von Block sechzehn mit seiner kräftigen Stimme beherrschte (...)" (S. 73)

Louvre

  • das Floß der Medusa von Géricault (S. 73)
  • das Gemetzel von Chios von Eugène Delacroix (S. 74)
  • die Dame in Blau von Jean-Baptist Corot (S. 74)

Auf die Behauptung von Pépé, dass man jetzt keine gute Menschen gebraucht werden, nur „Recken, Kämpfer, Kopfabschlager, Messerschleifer, Ausbrecher", entdeckt der Ich-Erzähler, dass ihn die Begegnungen mit seinen Leidensgenossen veränderten: „Ihr werdet alle Sorten von Leuten brauchen, sagte ich, wenn die Revolution gemacht ist! Mir blieb die Luft weg, das war nicht ich, aus mir redete Mendel Teichmann! Was hatte Teichmann mit mir gemacht? Was hatte Pechmann mit mir gemacht. Und was würde Pépé mit mir machen." (S. 77)

„Während ich erzähle, Nacht auf Block sechzehn, in Buchenwald, kommen die Bilder über mich und schnüren mir die Kehle zu." (S. 79) Die Beschreibung des Lagers von Perpignan:

  • groß
  • um die 20.000 Personen
  • Sandwüste mit grauen, verfaulten Baracken aus Holz
  • In Silos aufgeteilt und mit Stacheldraht voneinander geteilt
  • Auschwitz - Erfahren des Ziels der Reise nach der Auswahl
  • „Die Schwestern und die Brüder sind vielleicht schon dort, in Deutschland, in Polen, wie manche sagen, im Getto oder in Auschwitz, wie einige flüstern. (Zum ersten mal hören wir dort in Südfrankreich dieses Wort: Auschwitz!)" (S. 80)
  • Zum ersten Mal hört der Erzähler einen überlebenden von Auschwitz über Auschwitz sprechen. Bis zu diesem Zeitpunkt hielt der Erzähler die Berichte über die Gaskammer und die Geschichten über Auschwitz für übertrieben und krankhafte Phantasien. Alles wird aber in einem halb wach - halb traumhaften Zustand durch ein Kind bestätigt:

    „Ich bin entsetzlich müde, die Augen fallen zu, das Bewusstsein blakt wie eine Flamme auf dem letzten Tropfen öl. Ich sehe ein Kind, das ich anhören muss. Was wir oft vernommen und nie richtig vernommen hatten, für übertreibungen hielten und das jetzt einer berichtete, der es selbst gesehen (lange wird mir scheinen, als habe mir meine kranke Phantasie etwas vorgegaukelt, homerische Scherze). (S. 95)

    Die Geschichte von Tadeusz Moll - Berichtet über Auschwitz - Erzählhaltung

    „Tadeusz Moll hieß der Junge aus Auschwitz, und Petrow hieß ein anderer Mann, von dem ich berichten möchte, ein Rotarmist." (S. 94)

    „Er hat keine Zeit, muss es loswerden, beim ersten besten, dem Vater oder wer da seine Stelle vertritt. Er schlottert beim Erzählen, es würgt ihn wie Erbrochenes, krampfhaft." (S. 94 f)

    „Wenn Moll erzählte, zog er den Kopf zwischen den Schultern ein und legte das Gesicht in Falten. Ein Kind, ein Greis, beides war Moll." (S. 96)

    Crawinkel - Krähwinkel von Goethe beschrieben (S. 97)

    Er hat keine Zeit, muss es loswerden, beim ersten besten, dem Vater oder wer da seine Stelle vertritt. Er schlottert beim Erzählen, es würgt ihn wie Erbrochenes, krampfhaft. (S. 94 f)

    Tadeusz

    Unerklärliche Rettung durch zwei Männer

    Schutzengel

    Zweimalige Rettung vor dem Gastod

    Verblüffende stoisch-naive Haltung

    Rhetorische Fragen: „Und war diese Haltung eine Folge der Zerstreutheit und Ungeschicklichkeit, war Tadeusz ahnungslos gegenüber den Gefahren, oder missachtete er sie? " (S. 107)

    „Ich denke an Tschukran, er hatte für jede Schwierigkeit einen Rat." (S. 104)

    In Klammern: Ich habe all diese Geschichten gelesen, von der Hinschlachtung der Juden in England, in Spanien, in Deutschland. Geschichten weisen und standhaften Rabbonim, die eigenhändig töteten, Frauen, Kinder, ehe sie ihrem Glauben abschworen. Geschichten von dem Juden Jesus - er predigte die Liebe! Redeten nicht auch die Chassidim die Liebe? Alliebe, allgegenwärtige Liebe Gottes. Also ist er in Juden und Christen und Ungläubigen gleichermaßen! (S. 116 f)

    Abschließende Gedanken

    „Einmal bin ich also schon gestorben, um leben zu dürfen - und vielleicht ist dies meine wahre Geschichte. Wenn es sich so verhält, dann widme ich das aus diesem Kindertod geborene Werk den vielen Millionen Toten und allen denen, die sich heute noch dieser Toten erinnern. Doch da es sich letzten Endes um Literatur handelt, eine Literatur, die der Begründung Ihrer Akademie zufolge zugleich Zeugnis ist, mag es vielleicht auch für die Zukunft von Nutzen sein, ja, am liebsten würde ich sagen: möge es der Zukunft dienen. Denn nach meiner Auffassung stoße ich, wenn ich mich mit der traumatischen Wirkung von Auschwitz auseinandersetze, auf die Grundfragen der Lebensfähigkeit und kreativen Kraft des heutigen Menschen; das heißt, über Auschwitz nachdenkend, denke ich paradoxerweise vielleicht eher über die Zukunft nach als über die Vergangenheit."[9]

    1. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein ist eine Erzählungen von den Brüdern Grimm
    2. DIE ZEIT 51/2002 http://www.zeit.de/politik/kertesz_nobelpreis
    3. DIE ZEIT 51/2002 http://www.zeit.de/politik/kertesz_nobelpreis
    4. S. 42
    5. S. 48 f
    6. S. 27
    7. DIE ZEIT 51/2002 http://www.zeit.de/politik/kertesz_nobelpreis

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